Die COVID-19-Pandemie hatte massive Auswirkungen auf die Beratung in der Berufsberatung, auf die entsprechenden Einrichtungen sowie auf Berater:innen und Beratungskunden in ganz Europa. Sie waren gezwungen, ihre meist persönlichen Dienstleistungen über Nacht auf ein digitales Umfeld umzustellen. Leider war die Online-Berufsberatung vor der Krise nicht als selbstverständlicher Bestandteil in das Angebot der Beratung integriert. Die Gründe dafür waren vielfältig, z. B. fehlende technische Ausstattung, fehlende digitale Kompetenz, fehlender angemessener Datenschutz oder die Sorge, diesen zu verletzen.
Nach mehr als einem Jahr in den Notfallmodus hat sich die Notwendigkeit der Anwendung erheblich geändert. Standardinstrumente haben Einzug in die Beratung gefunden, aber es fehlt nicht selten ein integriertes und bedarfsorientiertes Berufsberatungsprofil. Nichtsdestotrotz haben Institutionen und Einzelpersonen einige positive Erfahrungen unter meist unstrukturierten und ungesteuerten Bedingungen durch eine flexiblere Gestaltung der Dienstleistungen in der Onlineberatung gesammelt. Nun suchen Institutionen und Einzelpersonen nach Orientierung, geeigneten Instrumenten und strukturierter Berufsbildung, die Transparenz und Übertragbarkeit bei der Anwendung eines hybriden Berufsberatungskonzepts bieten.
Auf der Konferenz “VET Internationalisation in 2021: beyond mobilities” (Internationalisierung der Berufsbildung im Jahr 2021: jenseits der Mobilitäten) sagte der Hauptredner João Santos, Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration der Europäischen Kommission: “Berufsberater:innen spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Kompetenzen zur Unterstützung des grünen und digitalen Übergangs. Der Wandel vollzieht sich in einem solchen Tempo, dass die Menschen Schwierigkeiten haben, sich auf künftige Fähigkeiten und Fertigkeiten einzustellen. Hier können Berufsberater:innen […] Orientierungshilfen und Möglichkeiten für hochwertige Qualifikationen sowie […] Informationen zur Höherqualifizierung und Umschulung bieten.” Nun geht die Pandemie langsam vorbei, und eine einfache Rückkehr zu früheren persönlichen Ansätzen ist keine Antwort auf die skizzierte Nachfrage (CEDEFOP-Bericht: Career Guidance policy and practice in the pandemic, 2020; OECD Report: Career Guidance for Adults in a Changing World of Work, 2021).
Daher ist es an der Zeit, die neuesten Erfahrungen strukturell zu integrieren und die Berufsberatung auf die nächste Stufe zu heben: eine übergreifende Strategie zur Verbesserung der digitalen Kompetenzen in Bezug auf Prozesse und Werkzeuge ist erforderlich. Angesichts der Vielfalt der Herausforderungen versucht OCCAY daher, ein inklusives und zugleich modulares Angebot zu sein.
OCCAY entwickelt digitale Tools für die Arbeitsmarktberatung, die Wissenstransfer und -austausch ermöglichen und auf alle Beratungsbereiche anwendbar sind. Die Ziele des Projekts decken sich mit dem Aktionsplan für digitale Bildung der Europäischen Kommission, da es integrative und modulare Instrumente für Berufsberater:innen und Institutionen, die in diesem Bereich arbeiten, anbietet. Es kombiniert die Selbsteinschätzung digitaler Kompetenzen mit der Möglichkeit, diese mit Hilfe des OCCAY Hybrid Flexi Course zu erweitern. Gleichzeitig bietet OCCAY Bildungs- und Berufsberater:innen ein frei zugängliches Online-Tool und für Institutionen, die in diesem Bereich tätig sind, ein Handbuch, wie sie digitale Beratung systematisch und strukturell in ihrer Organisation umsetzen können.
Darüber hinaus fördert das Projekt die europäische Vernetzung und bereitet eine politische Empfehlung für Entscheidungsträger auf der Ebene der EU-Institutionen und Agenturen vor.
Mit OCCAY verfolgt erstmals ein Projekt ein gemeinsames europäisches Verständnis in der Berufsausbildung von Berufsberater:innen und bietet eine gemeinsame digitale Plattform zur gegenseitigen Aus- und Weiterbildung.